Kategorialgrammatik und traditionelle Grammatik

Ein Vergleich

Gliederung:

1. Züge der traditionellen Grammatik

1.1. Theorieabhängigkeit

1.2. Normative Komponente

1.3. Sprachhistorische Komponente

1.4. Semantische und pragmatische Komponenten am Beispiel der Wortartenterminologie

2. Vergleich traditionelle-kategoriale Grammatik anhand der Klassifikationsbegriffe

2.1. Hierzu nötige/mögliche Erweiterungen der Kategorialgrammatik

3. Kategoriale Rekonstruktion der traditionellen Grammatik

Literaturverzeichnis

1. Züge der traditionellen Grammatik

1.1 Theorieabhängigkeit

Im Vergleich zu den formalisierten Grammatikmodellen, unter denen die Kategorialgrammatik durch ihren hohen Formalisierungsgrad herausragt, erscheint das Bild der traditionellen Grammatik als das eines diffusen Konglomerates. Es wäre jedoch ungerecht, sie ohne weiteres an dem für einzelne Teilgebiete des Deutschen erreichten Formalisierungsgrad neuerer Grammatikmodelle zu messen, da ihre Aufgaben z.T. andere sind als diejenigen, welche heute an ein Grammatikmodell gestellt werden. Das mit ihr verbundenes Interesse ging (noch) nicht in erster Linie auf Rekonstruktion der Sprache (im Sinne eines operationalen Regelsystems), ähnlich wie dies ebenso wenig die aristotelische Logik in Bezug auf die Rekonstruktion der Wissenschaft im allgemeinen tat. (Bekanntlich entstand die mathematische Logik erst, als man sich daran machte, mathematische Beweise logisch zu rekonstruieren). Vielmehr bemüht sich die traditionelle Grammatik um eine Darstellung der gesamten Daten einer Sprache, hat also, von heute aus gesehen, einen überwiegend deskriptiven und aufzählenden Charakter. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß diese Daten sehr wohl theorieabhängig sind. Allerdings bleibt die Theorie implizit und wird nicht reflektiert, zumal insofern nicht, als sich die traditionelle Grammatik des Deutschen durchweg einer aus den für das Lateinische entwickelten Grammatiken übernommenen Terminologie bedient, sich also die Beschreibungskategorien für eine fremde Sprache zu eigen macht, ohne deren Zuständigkeit und Fruchtbarkeit für die eigene Sprache näher zu untersuchen.

Dieses Problem der Kategorienübertragung - man kann auch die theoretischen Begriffe der traditionellen Grammatik im weiteren Sinne als Kategorien bezeichnen - hat zwei Aspekte, einen außersprachlichen und einen innersprachlichen. Der erstere umfaßt die Interdependenzen von Sprache, Sprachtheorie (=Grammatik) und Wirklichkeit, wie sie etwa in der Sapir-Whorf-Hypothese formuliert werden, jedoch schon viel früher wahrgenommen wurden; besonders Aristoteles wird nicht selten als Beispiel dafür genommen, wie logische/philosophische Kategorien durch Analogiebildung aus sprachlichen, genauer: sprachtheorstischen Kategorien zu Stande kommen. Der innersprachliche Aspekt der Kategorienübertragung bezieht sich darauf, daß die traditionelle Grammatik des Deutschen mit der lateinischen Terminologie das Interpretationsraster für eine flektierende Sprache übernommen hat, also für einen einzelnen und nicht universellen Sprachtypus. Die Kategorialgrammatik beansprucht demgegenüber, als Universalgrammatik formalisierbar zu sein oder zu werden, wenn gleich natürlich die Suche nach den sprachlichen Universalien keineswegs als abgeschlossen gelten kann. Die Kategorialgrammatik von Einzelsprachen, wie sie bislang vorliegt, ist ebenso wenig wie die traditionelle Grammatik gefeit, durch unreflektierte Übertragung von Kategorien aus anderen Sprachen die Beschreibung der eigenen Sprache unangemessen zu gestalten. Da die Kategorialgrammatik hauptsächlich im englischen Sprachraum entwickelt wurde und der Flexionsreichtum ein Hauptunterschied zwischen Englisch und Deutsch ist, läßt sich z.B. feststellen, daß Kategorialgrammatiken des Deutschen dazu neigen, die syntaktische Rolle von Flexion und Kongruenz unterzubewerten. Desgleichen kann man den Einfluß der Herkunft von Kategorialgrammmatiken aus der Beschreibung logischer Konstruktsprachen bemerken. Daraus, daß mittels einer kategorialen Grammatik zum ersten Male eine Universalgrammatik realisierbar zu werden scheint; darf nicht geschlossen werden, daß eine bestimmte Kategorialgrammatik per se schon eine adäquate Abbildung eines einzelsprachlichen Geschehens sei.

1.2 Normative Komponente

Genealogisch stellt sich die traditionelle Grammatik des Deutschen also als mehr oder weniger gelungene Anpassung altsprachlicher Grammatiken an das Deutsche dar. Mit ihr verbindet sich häufig noch ein normativer Anspruch der Sprachverwendung gegenüber, d.h. sie dient gleichzeitig der Sprachpflege, wie z.B. an der Duden-Grammatik deutlich erkennbar ist. Diese normative Komponente wird in den neuen Grammatikmodellen ausgeschlossen, doch muß man gerechterweise feststellen, daß die normative Interpretation der von der traditionellen Grammatik entwickelten Syntaxbeschreibung nicht dieser Grammatik selbst zugehört, sondern eine Sprachnormierung gegenüber der jeweils verwendeten Grammatik neutral ist (sofern sie nicht schon als normative formuliert ist). Ohne hier das Normierungsproblem behandeln zu wollen, wird man sagen können, daß heute an die Stelle der gewissermaßen zentral gelenkten Normierung durch die Grammatiker die automatische Normierung durch das Verständigungsbedürfnis selbst getreten ist, d.h. die Sprachnorm scheint als sich selbst regulierendes System der Größen 'Ausdrucksvermögen' (Differenzierungsgrad) - möglichst groß -, 'Sprachaufwand' - möglichst klein - und 'Vermittlungssicherheit' - möglichst groß - verstanden zu werden. Davon abgesehen kann der traditionellen Grammatik schon deswegen keine normative Komponente inhärent sein, insofern sie aus den Grammatiken toter Sprachen erwuchs, wo natürlich nur Deskription sinnvoll ist.

1.3 Sprachhistorische Komponente

Eine andere Komponente ist der traditionellen Grammatik jedoch eher integriert, welche der Kategorialgrammatik normalerweise nicht zur Verfügung steht, nämlich die diachronische: die Grammatiker versuchten durch Rückgang in die Sprachgeschichte die Sprache auch in ihrer Entwicklung zu erfassen und dadurch eine breitere Ausgangsbasis Für die Konstruktion der grammatischen Kategorien und syntaktischen Regularitäten zu erhalten. Da ihnen keine formalen Verfahren zur Verfügung standen, ist die Berücksichtigung der Sprachgeschichte nicht zuletzt als nützliche Kompensation zu werten. In der neueren Linguistik werden Synchronie und Diachronie im allgemeinen von einander isoliert, doch gibt es gerade in der Kategorialgrammatik Themen, die zugleich unter diachronem Aspekt verstanden werden und die Synchronie aufs engste mit der Diachronie verbinden, z.B. das Serialisierungsproblem in der Vennemann'schen sprachtypologischen Interpretation. Vermutlich ist die Intention der Kategorialgrammatik auf eine Universalgrammatik für die erneute Einbeziehung der Diachronie verantwortlich, denn naheliegenderweise muß eine Universalgrammatik auch die historische Dynamik der sprachen thematisieren, weil die historische Dynamik zum Explanandum 'Sprache' gehört.

1.4 Semantische und pragmatische Komponenten am Beispiel der Wortartenterminologie

Tritt die diachronische Komponente bei der traditionellen Grammatik hauptsächlich methodologisch auf, sind die übrigen integrierten Komponenten Bestandteile des Gegenstandes der Grammatik selbst. Es handelt sich um semantische und pragmatische. Erstere wird vor allem bei der Übersetzung der lateinischen Grammatikterminologie ins Deutsche offenkundig, etwa Verbum: Zeitwort/Tätigkeitswort. Die Bestimmung 'Zeitwort' bezieht sich auf die Temporalkomponente des Prädikates, die auch morphologisch repräsentiert ist, die Bestimmung 'Tätigkeitswort' versucht eine Charakterisierung der Rolle des Verbums als Wort für eine Aktion, deren Anwendung auf intransitive Verben freilich schon mißlingt Das lateinische Originalwort 'verbum' meint demgegenüber etwas ganz anderes, denn es heißt 'Wort', und darin gibt sich eine zumindest intuitive Interpretation des Verbums als 'Grundkategorie' kund. In der deutschen Terminologie nimmt das als 'Hauptwort' bezeichnete 'Substantiv' offenbar die wichtigere Stellung ein. Während 'Hauptwort' nur den kategorialen Rang bezeichnet, wird mit 'Substantiv' auf eine als 'zu Grunde liegend' gedachte Substanz abgehoben, die man in unmittelbarem Zusammenhang zur aristotelischen Substanzlehre sehen muß. Es gibt außerdem noch den Terminus 'Nomen', der aber nicht in allen Varianten der traditionellen Grammatik mit 'Substantiv' gleichgesetzt wird, sondern auch als Oberbegriff über 'Substantiv', 'Adjektiv', 'Numeralia' und 'Pronomen' interpretiert wird. Von dieser Entscheidung hängt dann natürlich ab, ob man z.B. Adjektive als Adnominale klassifizieren muß. Vom Terminus 'Adjektiv' gibt es wieder zwei Übersetzungen, eine semantische, 'Eigenschaftswort', und eine, die sich auf die syntaktische Anordnung der Satzelemente bezieht, 'Beiwort', wobei beide nur einen Teil des 'Wesens' des Adjektivs treffen. Das Adjektiv bezeichnet auch anderes als Eigenschaften, oder jedenfalls Dinge, die als Eigenschaften zu interpretieren den Begriff sehr strapazieren hieße, und ein Beiwort ist es zum Substantiv nur in attributiver, nicht in prädikativer Verwendung; dann ist es nämlich Prädikatsnomen. Die Kategorie 'Artikel' ist funktional gedacht, denn sie besagt 'Gelenk', d.h. Verbindungsglied zwischen den Substantiven und als solche müssen den Lateinern, die ja keine bestimmten Artikel hatten, diejenigen des Griechischen vorgekommen sein. Nichtsdestoweniger ist diese Interpretation unzutreffend, und in der traditionellen Grammatik wird der Artikel durchaus im kategorialgrammatischen Sinne als Determinator verstanden. Das Pronomen wird ebenfalls funktional, nämlich von der Substituierbarkeit des Nomens her gedacht. Daß von einer Substituierbarkeit im Sinne einer Paraphrasenbeziehung (typisch in der TG) nicht die Rede sein kann, legt zumindest das Interrogativpronomen nahe, das ja zu einer ganz anderen Aussageweise als der des Aussagesatzes gehört.

Den Rest der traditionellen Syntax nehmen die sog. Partikeln sind. Laut der Übersetzung als 'Redeteilchen' handelt es sich um eine pragmatische Kategorie, die Originalübersetzung 'Teilchen' weist sie jedoch - eher als 'Klassifikationsmüll' aus. Zu ihnen werden Adverbia, Adpositionen, Konjunktionen und Interjektionen gerechnet. Die Kategorie 'Adverb' bezieht sich auf die syntaktische Anordnung, trifft jedoch nicht einmal in diesem Punkte völlig zu, da Adverbia nicht nur beim Verb, sondern auch bei Adjektiven stehen, von Präpositionen abhängen können, als selbständige Sätze fungieren usw. Die Übersetzung 'Umstandswörter' versucht eine semantische Deutung, doch kann man sich unter Umständen alles mögliche vorstellen, und außerdem läßt sich in der traditionellen Grammatik keine scharfe Grenze zwischen Adverbien und Präpositionen ziehen. Letztere werden auch als 'Verhältniswörter' bezeichnet, eine ebenso weitherzige Bezeichnung wie 'Umstandswörter' und ebenfalls semantisch intendiert. Als Aussage über die syntaktische Anordnung wird der Terminus 'Präposition' trotz des Namens nicht ernst genommen. Auch Postpositionen und Ambipositionen heißen in der traditionellen Grammatik 'Präpositionen'. Der Terminus 'Konjunktion' ist funktional gedacht, 'Bindewort', womit es seine Richtigkeit hat. Allerdings sind nicht alle Wörter mit verbindender Funktion Konjunktionen (z.B. Relativpronomen), so daß auch diese Kategorisierung nicht völlig befriedigt. Die Interjektionen schließlich bilden wieder eine Kategorie, die sich auf die syntaktische Anordnung bezieht, 'Zwischenwörter', Doch gibt es euch eine semantische Interpretation: 'Empfindungswörter'. Ausgiebiger pragmatisch als in der Terminologie der Wortarten wird in der traditionellen Grammatik bei der Interpretation einzelner Sprachphänomene argumentiert, etwa bei der Erklärung von Ellipsen oder der pragmatischen Interpretation der Wortstellung ('Bedarfsstellungen' bei Behaghel §§ 1619ff).

2. Vergleich traditionelle/kategoriale Grammatik anhand der Klassifikationsbegriffe

In der traditionellen Grammatik finden sich also Betrachtungsweisen versammelt oder kontaminiert, die in neuerer Zeit als eigene Gebiete isoliert wurden, und es versteht sich, daß sie in ihrer heutigen Spezialisierung leistungsfähiger sind als in ihrer kontaminierten Form. Daher fällt auch der direkte Vergleich der konsequent funktional organisierten Kategorialgrammatik mit der 'methodenpluralistisch' organisierten traditionellen Grammatik zu der letzteren Ungunsten aus. Gerechterweise muß bemerkt werden, daß die Kategorialgrammatik - im Gegensatz zur traditionellen Grammatik nur für Teilgebiete des Deutschen vorliegt, so daß der Leistungsvergleich hinkt. Daher soll bei seiner Durchführung auch nicht weiter die formale Überlegenheit der Kategorialgrammatik hervorgehoben werden,.

Es gibt auch in der traditionellen Grammatik die Vorstellung, daß die Syntax funktional zu organisieren sei. So hat Behaghel auf seine Weise das Frege'sche Prinzip der Bedeutung für seine Arbeit zu Grunde gelegt: "Der Wert einer syntaktischen Verbindung aus zwei oder mehr Gliedern ist bestimmt durch die Beschaffenheit jedes Einzelnen dieser Glieder". Als Frege'sches Prinzip der Bedeutungsbeschreibung - die Bedeutung jedes komplexen Ausdrucks soll als eine sich irgendwie aus den Bedeutungen seiner Teilausdrücke ergebende beschrieben werden - läßt sich dies jedoch kaum interpretieren, denn dann hätte Behaghel andere Konsequenzen ziehen müssen; da er keinen formalen Apparat zur Verfügung hatte, blieb 'sein' Frege'sches Prinzip folgenlos. Er folgte ihm höchstens auf der Ebene der Analyse einzelner Satzelemente im vorgegebenen terminologischen Rahmen der traditionellen Grammatik.

Dieser besteht, soweit es die Syntax betrifft, aus der Dichotomie Wortarten/Satzlehre, der das Schema Hardware/Software zu Grunde liegend gedacht werden kann: die klassifizierten Wörter erhalten in der Satzlehre ihre Funktionszuweisung, wie sie umgekehrt bereits im Hinblick auf ihre nachmalige Funktion klassifiziert worden sind. Die Kategorialgrammatik scheint davon gänzlich abzuweichen, indem sie, zumindest idealtypisch, die Syntax mit einer einzigen Regel aufzubauen versucht. Es zeigt sich jedoch, daß u.a. das Phänomen der Mehrfachkategorisierungen, d.h. daß ein Ausdruck in verschiedenen Kategorien erscheinen kann, die Konstituierung einer weiteren Beschreibungsebene erzwingt. In der Bartsch'schen Version der Kategorialgrammatik wird dies ganz deutlich. Dort wird zwischen Kategorien und Phrasenklassen unterschieden, wobei die ersteren die Elemente der letzteren darstellen. Diese Phrasenklassen sind jedoch auf der Ebene angesiedelt, auf der sich in der traditionellen Grammatik die Wortarten befinden. Nachstehend geben wir eine Gegenüberstellung der beiden Klassifikationen, in die auch über die Wortartenebene hinausgehende Klassifikationsbegriffe aufgenommen sind. Sie versteht sich als erste Annäherung, da die verwendeten Klassifikationsbegriffe wegen der Verschiedenheit der zu Grunde gelegten Systeme nicht ohne weiteres aufeinander abbildbar sind. So ist beim Adjektiv zu bemerken, daß die Dichotomie 'absolute-relative Bedeutung' nicht mit der Dichotomie 'nichtintensionale-intensionale Verwendung' zusammenfällt. Trotzdem ist den übrigen absolut oder relativ vewendbaren Wortarten das Intensionalitätskriterium zugeordnet worden, weil zumindest ein Teil der sog. relativen Verwendung die intensionale Verwendung abdeckt. Sehr unübersichtlich ist die Lage bei den sog. Adphrasen, die eigentlich nicht mehr auf der Ebene der Wortarten stehen, sondern eine Zusammenfassung möglicher Verwendungsweisen bestimmter Phrasenklassen darstellen und die Äquivalenz dieser komplexen Gebilde auf einer eigenen Ebene beschreiben. In der traditionellen Grammatik müßte man sie unter 'Wortgruppen' einordnen. Die Frage, ob man 'und' und 'oder' nur als satzverknüpfend ansetzen solle, müßte für sich behandelt werden. Zumindest syntaktisch käme man damit aus, wobei allerdings in der Regel die in der Oberflächensyntax verkürzt erscheinenden Sätze in einer tieferen Schicht 'vollständig' zu rekonstruieren wären. In der umgekehrten Richtung benötigt man dann Tilgungsregeln, wie sie aus der TG bekannt sind. In der Kategorialgrammatik haben sie aber nicht denselben Status und werden unter sog. Realisierungsregeln subsumiert. Die andere Möglichkeit wäre, jene Konjunktionen kontextsensitiv zu kategorisieren (oder zu übersetzen).

Behaghel (gekürzt und verändert)

A: Wortklassen 

I.Nomen und Pronomen

Substantiv und Artikel 

Substantiv 

absolut-relativ 

Artikel (bestimmter) 

Eigennamen 

Adjektiv 

absolut

relativ 

attributiv-prädikativ 

Pronomen

Indefinitpronomen

'jeder' 

Numeralia

Kardinalia

'kein' 

'ein' 

II. Adverb 

absolut-relativ 

Zeit/Modaladverbien

Satzadverbien 

Präpositionen 
 
 

Negation 

auch morphologisch gebundene
 

III.Verbum 

(Semantische Subkategorisierungen, u.a. absolut-relativ)

Partizip (Mittelwort) 
 

IV.Konjunktionen 

..!oder','und' 

B: Wortgruppen

Erweiterungsgruppen 

Bestimmungsgruppen 

Sätze 

Satzmodale Subkategorisierung

Aussagesätze 

Fragesätze 

Aufforderungssätze

Syntaktische Kategorisierung

Ein-/Mehrgliedrigkeit 

Hauptsätze 

Nebensätze 

modale Kategorisierung

Wortstellung 

Satzstellung


Bartsch (verändert und ergänzt) 

Phrasenklassen

Terme (Nominalphrasen)

Nomen

Intensionale Subkategorisierung

Determinator (bestimmter)

Terme (Nominalphrasen)

Adnominale

(Bedeutungspostulat:Subsektionsadnominale

a) Intersektionsadnominale

b) relative Adnominale

Intensionale Adnominale)

1-stellige Adphrasen: u.a.

Adnominale und Prädikative
 

Determinator
 
 
 

Determinator

Determinator

Adverbiale

Intensionale Subkategorisierung
 

Adsententiale

2-stellige Adphrasen:

2-stellige Prädikative

1-stellige Adnom. und Adverb.

Adverbiale
 

Verbum

Intensionale Subkategorisierung
 

Subkategorisierung nach Stelligkeit
Hilfsverbum

Konjunktionen

...'oder','und'(satzverknüpfend)
 
 

(rekursives Prinzip)

(Spezifikationsprinzip, vgl. unten Serialisierungsregeln)

0-stellige Verben=Sätze

x

-

-
 

Syntaktische Regel(n)

Sätze

komplexkategorielle Terme

-

Serialisierungsregeln, operierend auf Wörtern

dto., operierend auf Sätzen

(beide nach dem Spezifikationsprinzip organisiert)

2.1 Nötige/mögliche Erweiterungen der Kategorialgrammatik

Man müßte bei der Darstellung der Kategorialgrammatik außerdem noch die Übersetzung der kategorialsyntaktischen Strukturen in die Typenlogik berücksichtigen, die zwar ein Vorgang der Semantik ist, aber doch weitere interessante Kategorisierungsunterschiede an den Tag bringt. Dort finden sich nämlich z.B. die Konjunktionen 'und' und 'oder' sowie die Negation unter der Kategorie 'logische Junktoren' vereinigt, die Pronomina 'jeder', 'kein', 'einer' und der bestimmte Artikel 'der' u.a. gehören nicht mehr zu den Grundausdrücken, sondern werden mit Hilfe von Satzvariablen und Quantoren dargestellt. Intensionale Restriktion gleich bei welchen Grundausdrücken, werden als partiell beschriebene mögliche Welten gedeutet. Im übrigen sind solche Vorentscheidungen von erheblicher methologischer Bedeutung. In der Kategorialgrammatik hat eine methodische Festlegung wegen des ungleich höheren Formalisierungsgrades, der einer verbesserten Überprüfbarkeit der mittels dieser Formalisierung möglichen Aussagen dient, eine größere Reichweite.

In der Bartsch'schen Darstellung gelten die Kategorien von Verben, n-stelligen Prädikate und Nomina als Basiskategorien, womit vom ursprünglichen, 'minimalistischen' kategorialgrammatischen Ansatz nicht mehr viel übrig ist. Die n-stelligen Prädikative kann man gewissermaßen als die Komplemente zum Hilfsverbum auffassen (formal sind es - im Hauptsatz - postspezifizierende Komplemente), und es ist nur eine Frage der formalen Eleganz, die Hilfsverben mit Hilfe von Prädikativen zu kategorisieren, anstatt die Prädikative mit Hilfe einer Kategorie 'Hilfsverbum'. Die beiden ersten Bartsch'schen Grundkategorien gelten also eigentlich der Kategorie 'Prädikat', insofern sich Prädikate aus n-stelligen Verben und hilfsverbalen Konstruktionen rekrutieren. Die Grundkategorien verlangen zur Interpretation eine mehrstufige Prädikatenlogik, doch ist eine solche Logik nicht ganz ungefährlich.

Es gibt im Rahmen der Kategorialgrammatik weitere Versuche, die in der traditionellen Grammatik eingearbeiteten Semantik- und Pragmatikanteile zu extrahieren und zu formalisieren. Das Problem intensionaler Prädikate ließe sich z.B. statt mit partieller Interpretation auch mit einer dreiwertigen Logik angehen. Für reale und irreale Konditionalsätze sowie Kausalsätze läßt sich im Rahmen einer Modallogik eine Konditionallogik mit einem Konditionaloperator entwickeln. Desgleichen sind Glaubenssätze mit 'Glaubensoperatoren' darstellbar, und beide Modi zusammen könnten in einer epistemischen Logik modelliert werden. Die Grammatik beträfe das an der Stelle, wo Nebensätze modal kategorisiert werden und in der obigen Übersicht jetzt noch ein Strich das Nichtvorhandensein andeutet. Außerdem hätte es wohl Auswirkungen auf die Verba, unter denen sich die Klasse der Verba sentiendi präzisieren ließe. Wenn man eine Unterscheidung von 'Ausdruck' und 'Äußerung' durchführt, läßt sich eine "pragmatisch intensionale Interpretation" angeben. Von den dabei interpretierbaren Indexausdrücken sind die temporalen besonders interessant. Damit scheint es möglich, etwas aufzuarbeiten, was in der traditionellen Grammatik u.a. etwa unter 'Zeitenfolge im Nebensatz' firmiert. Ferner scheint das Problem der Oratio obliqua mit dem Wechsel des auf Subjekt oder Objekt referierenden Personalpronomens - sowie des Ersatzes des Possessivpronomens durch das Demonstrativum ('seiner'-'dessen' u.ä.) bei Referenzambiguitäten - hier seinen Platz zu haben. Schließlich kann man die in der Übersicht bei 'modale Kategorisierung der Sätze' bestehende Lücke durch Umsetzung nichtdeklarativer Modi auf eine "explizit-performative Normalform" füllen, wobei ein performativer Operator über dem in den deskriptiven Modus umgesetzten 'Äußerungsradikal" operiert. Fragesätze und Befehlssätze haben zusätzlich noch eine Bedeutung im Rahmen einer Theorie der sprachlichen Konventionalität, die sich als Teilgebiet einer Handlungstheorie versteht. Als Hintergrund für Befehlssätze wird etwa eins sog. Weisungsberechtigung postuliert. Es sollte auch möglich sein, mit einer solchen Theorie z.B. das syntaktisch relevante Problem der 'Du'- oder Sie'-Anrede anzugehen; letztere hat ja beim Verbum den Plural, ohne daß im Sinne der Kongruenz das dazugehöriges Subjekt als pluralisch interpretiert würde.

3. Kategoriale Rekonstruktion der traditionellen Grammatik

Es wird freilich noch großen Aufwandes bedürfen, um die in die traditionelle Grammatik eingegangenen semantischen und pragmatischen Komponenten als selbständige Theorien im Rahmen einer konsistenten Gssamtgrammatik zu formulieren. Bis dahin bleibt eine vollständige Rekonstruktion der traditionellen Grammatik schwierig. H. Schnelle hat den Versuch einer solchen Rekonstruktion unternommen, der zwar interessant ist, jedoch auch seine Schwächen hat. Er bestimmt die traditionelle Grammatik als "geschichtet klassifikatorische Grammatik". Auf mehreren hierarchisch gedachten Schichten werden die grammatischen Kategorien repräsentiert, so, daß die Mengen dieser Kategorien in spezifische Teilmengen unterteilt und die Zuordnung der Teilmengen zueinander restringiert ist. Damit soll sichergestellt werden, daß etwa das Prädikat 'Genus' nicht von Verben, das Prädikat 'Tempus' nicht von Substantiven, und das Prädikat 'Person' nicht von Adjektiven prädiziert werden kann. Man könnte sich jedoch vorstellen, daß bei entsprechender Differenzierung des Modells diese Restriktionen explizit gemacht würden. Die Ausdrucksweise, die Ausdrucksmodi seien Prädikate von Modusattributen, also Prädikate zweiter Stufe, beschreibt den Sachverhalt einer Spezifikation. Das unten angegebene Modell haben wir gegenüber dem Original stark verändert; die Reihenfolge von Schichten und Teilschichten ist, dem üblichen Aufbau der Grammatiken und der Linguistik selbst entsprechend, umgedreht, in der ersten Schicht ließe sich noch Material aus der Wortbildungslehre unterbringen. Die Termini Ausdruckstypus (AT), Ausdrucksart (AA), Ausdrucksmodus (AM) und Modusattribut (MA) sind nicht sehr präzise. Immerhin werden die modalen Anteile der traditionellen Grammatik deutlich erkennbar, und der Modusbegriff wird auf bemerkenswerte Weise verallgemeinert: in der zweiten Schicht erscheinen die sonst eher als Inhalt lästiger syntaktischer Kongruenzregeln behandelten Phänomens als Ausdrucksmodi.

Schnelle: geschichtet klassifikatorische Grammatik

MA 1

AM 1 (faktitiv, durativ, iterativ...)

AA 1 Wortkern, Affixe (Morpholgie)

AT 1 Wortteil

MA 2 1./2./3.Ps., Sg., Pl., Präs., Impf., .. Mask., Fem., Neutr., Nom., Gen., Dat....

AM 2 Person, Numerus, Tempus, Genus, Kasus...

AA 2 Verben, Substantive, Adjektiva

AT 2 Wort

MA 3 Appositinn... temporal, Lokal, kausal, final...

AM 3 adnominal, adverbial...

AA 3 Verbalgruppe, Nominalgruppe, Präpositionalgruppe...

AT 3 Satzglied

MA 4 Relativsatz, Apposition...temporal, kausal, lokal, final...

AM 4 Nominalbestimmung. Satzbestimmung...

AA 4 Hauptsatz, Nebensatz

AT 4 Gliedsatz

MA 5 deklarativ, interrogativ, imperativ...

AM 5 Satzmodus

AA 5 zusammengesetzter Satz, einfacher Satz

AT 5 Satz

Vor dem Hintergrund des eben angegebenen Modells besteht der Unterschied zwischen der traditionellen und der kategorialen Grammatik darin, daß ein kategorialgrammatischer Ausdruck durch ein einzelnes Prädikat für eine grammatische Kategorie bestimmt wird, während man in der traditionellen Grammatik hierfür eine Folge von Prädikaten benötigt, deren erstes Glied AA und deren letztes MA ist. In der Schichtung der AT kann man sich das rekursive oder generative Prinzip repräsentiert denken, denn Satzglieder können die Funktion von Wörtern übernehmen, Gliedsätze diejenige von Satzgliedern, und Sätze diejenige von Satzgliedern. Heim ersteren Felle darf man etwa an die Paraphrasenbeziehung zwischen einem Relativsatz und einem Adnominal denken; die Bartsch'sche Vorstellung von den Adphrasen als beliebig adnominal, adverbial oder prädikativ verwendbaren Gruppen ist dem nicht unähnlich. Bei den beiden übrigen Fällen handelt es sich um Nebensatz- oder Hauptsatzeinbettungen. Auch hier werden also, wie in der Kategorialgrammatik, die Nebensätze nicht als eigene Sätze, sondern als unselbständige Teilkomponenten betrachtet.

Die kategoriale Aufgliederung der traditionellen Grammatik ermöglicht den direkten Vergleich mit den Kategorien der kategorialen Grammatik, wobei beide als durch das Theorem "Grammatik ist kategorial beschränkte Algebra" verbunden gedacht werden. Hierbei ergibt sich, daß "zu jeder Operatorkategorie im Prinzip eine grammatische Regel gehört", oder anders ausgedrückt: man kann die Operatorkategorien als grammatische Regeln formulieren.

Freilich ist dies nicht der springende Punkt, denn man muß annehmen, daß die traditionelle Grammatik die Regularitäten der Sprache nicht nur ebenso korrekt wie die Kategorialgrammatik beschreibt, sondern an Vollständigkeit der Beschreibung diese noch bei weitem übertrifft (was angesichts ihres Alters auch nicht überrascht). An der traditionellen Grammatik ist ja keineswegs die Regelmenge unzureichend, im Gegenteil, und daß die von den beiden hier verglichenen Grammatik erzeugten Regelmengen aufeinander abbildbar sind, hat nichts überraschendes an sich. Worum es jedoch geht, ist der Umstand, daß sich die grammatischen Regeln nicht von selbst Operatorkategorien zuordnen. Der Fortschritt der Kategorialgrammatik hat darin zu bestehen, daß in ihr mit Hilfe komplexerer theoretischer Begriffe allgemeiner gültige Regeln formuliert werden können, d.h. der Ordnungsinhalt des grammatischen Systems 'dissoziativ' derart umgebaut wird, daß die grammatischen Regeln mehr Ordnung (=Determination) beinhalten.

Literatur:

Bartsch, Renate (et al.) (1977): Einführung in die Syntax. Kronberg/Ts.

Behaghel, Otto (1923ff): Deutsche Syntax. 4 Bände. Heidelberg

Duden-Grammatik (19662): Der große Duden Bd. 4. Dudenverlag

Kutschera, Franz von (1976): Einführung in die intensionale Semantik. Berlin/New York

Schnelle, Helmut (1973): Sprachphilosophie und Linguistik. Rowohlt

Vennemann, Theo (1973a): Explanation in Syntax. In: Syntax and semantics Vol.2, Hg. von J.Kimball, New York/London S.1-50

ders. (1973b): Warum gibt es Syntax? In: Zeitschr. f. Germ. Linguistik 1, S. 257-283