COCA COLA IS IT

 

(I LOVE GERMAN)

 

(DEUTSCH UND NEUDEUTSCH)

 

Sprachpatriotismus - Zur Semantik und Pragmatik neuerer Fremdwörter. In: Die politische Meinung Nr. 233 (Juli 1987), S.81-85

dass. unter dem Titel Deutsch und Neudeutsch - Unnötiges, doch Unaufhaltsames aus der deutschen Sprache in: Münchner Zeit-Schriften Nr. 3 (Okt. 1987), S.34f

dass. unter dem Titel Coca-Cola is it im Saarl. Rundfunk am 21.11.1987

 

 

Das Problem ist mehrere Jahrhunderte alt, beginnt mit der Zeit, da das Deutsche Literatursprache wurde. Immer wieder gab es Phasen 'erklärten Krieges' gegen das Fremdwort, und regelmäßig wurden sie mit nationalen - und das heißt für uns Deutsche leider: mit ideologischen Argumenten geführt. Das Verdikt des Nationalen betrifft unvermeidlich auch die Nationalsprache. Während also der Kampf der Academie Francaise gegen die Fremdwörter im Französischen ein ehrbares, wiewohl von Außenstehenden gelegentlich belächeltes Unternehmen ist, muß sich das Bemühen um die sprachliche Integrität des Deutschen in aller Regel sprachimmanent rechtfertigen. Ein Rekurs auf die Tugend sprachlicher Autarkie entsprechend zu nationaler Autarkie ist insofern also nicht möglich. Es wird sich allerdings zeigen, daß man auch immanente Kriterien für den Gebrauch des Fremdwortes finden kann.

Diese Betrachtung verwendet selbst ausgiebig Fremdwörter, zeigt damit schon an, daß es ihr keineswegs um ein durchgängiges Plädoyer gegen Fremdwörter zu tun ist. Die lateinischen und griechischen Fremdwörter sind Erbteil der Antike, das unter Vermittlung des Christentums vor langer Zeit schon in die europäischen Sprachen eingegangen ist. Diese frühe Assimilation läßt sie heute zumindest semantisch nicht mehr als Fremdwörter erscheinen, d.h. sie sind ebenso exakt und flexibel zu handhaben wie autochthone, einheimische Wörter. Eine Differenz besteht allerdings noch in pragmatischer Hinsicht. Exzessiver Gebrauch lateinisch-griechischer Wörter - wie in der eben ausgeführten Passage - ist nur im akademischen Milieu möglich, und d.h. zugleich: ist für dieses Milieu charakteristisch. Und das wiederum zeigt an: Der Gebrauch der Fremdwörter erfordert eine Vorbildung, jede sprachliche Differenzierung durch neue Wörter will erarbeitet sein.      

Wir wollen hier auch keineswegs gegen die Verbreitung des Englischen als internationale Verkehrssprache optieren. Der Nutzen einer allgemein verstandenen Verkehrssprache - wie sie ja auch schon im Mittelalter mit dem Latein in Gebrauch war - ist kaum zu überschätzen. Das bemerkt nicht nur der Tourist, der unmöglich die Sprachen aller der Länder lernen kann und will, die er zu besuchen heute Gelegenheit hat. Er ist etwa in Ostasien dankbar um jedes englische Wort, das er verstehen oder entziffern kann. Aber auch in Europa wird das Englische immer mehr zur lingua franca, weil die Kenntnisse in den anderen Sprachen abnehmen. So kann sich ein Deutscher mit einem Franzosen oft nur noch über den Umweg des Englischen verständigen - was für den unmittelbaren kulturellen Austausch sicher kein gutes Zeichen ist -, aber er kann sich immerhin verständigen. Wissenschaft und Handel wären ohne die Verkehrssprache Englisch in der heutigen internationalen Verflechtung nicht mehr denkbar.

Etwas anders liegt die Sache allerdings, wenn man Sprache in ihrer Bedeutung als Ausdruckssprache betrachtet. Der Mensch braucht seine Sprache auch als Mittel der Gestaltung seiner Vorstellungswelt. Sprache ernennt Wirklichkeit, Sprache nimmt wahr, was der Fall ist. Die Sprache ist ein höchst komplexer, feingliedriger und wissenschaftlich noch längst nicht durchschauter Mechanismus. Es geht hier z.B. um das Verhältnis von syntaktischen Strukturen zu den Verfahren der Wortbildung, um das Vorhandensein produktiver und nicht produktiver Vor- und Nachsilben bei der Zusammensetzung neuer Wörter, um Wortschatzumfang und Wortschatzzuwachs und den Grad der Heterogenität der Sprache, sei es dialektal, oder sei es in Form von Gruppensprachen mit Sonderwortschätzen. Der Sprache in all ihren Möglichkeiten gerecht zu werden, jeweils die passende Nuance zu treffen, sich genau, einfach und elegant auszudrücken, macht nicht geringe Mühe. Ein schludriger Umgang mit Grammatik und Rechtschreibung, eine beflissene und unterwürfige Übernahme andernorts vorgeprägter Begriffe zeugen nicht von sprachlicher Kreativität. Es gibt kein Reinheitsgebot für die Sprache, wie beim Bier, aber es gibt eine Sorgfaltspflicht, und um sie drückt man sich offenbar allzu gerne.

Anlaß für die erneute Reflexion über die Fremdwörter im Deutschen ist die Beobachtung, daß die öffentliche Verbreitung von Fremdwörtern, in erster Linie aus dem Englischen, genauer gesagt: aus dem Amerikanischen, deutlich zugenommen hat. Hier machen sich zweierlei Entwicklungen bemerkbar.

Zum einen wird erst jetzt das kulturelle Vakuum spürbar, in dem das Nachkriegsdeutschland angesiedelt ist. Ein bekanntes Wort erweiternd, könnte man formulieren: Die BRD - wirtschaftlich ein Riese, politisch ein Zwerg, kulturell ein Nobody. Der verlorene Krieg hat nicht nur die politische Macht Deutschland liquidiert, sondern auch das kulturelle Selbstverständnis nachhaltig erschüttert. Welches andere Volk hätte sonst je eine Umerziehungs-Kampagne, oder im Terminus: reeducation, absolviert? Kultur ist das, was von außen kommt, hat man damals implizite gelernt. Kultur als die Entwicklung eigener Anlagen war damit abgeschrieben. Für das Teilgebiet Wissenschaft z. B. ist der Zusammenbruch deutscher Kultur anhand der Nobelpreisträgerliste leicht zu verifizieren.

Davon abgesehen waren in den 50er und großenteils 60er Jahren diese Kriegsfolgen noch kaum zu bemerken, denn tonangebend war eine Generation, die noch in einer homogenen Kultur aufgewachsen war. Von heute aus betrachtet wirken diese Jahrzehnte bieder oder borniert, heimelig oder verlogen - je nach Einstellung. Die Amerikaner waren da, aber Amerika war ein Traum.

Dann aber, und damit kommen wir zum zweiten Punkt, begannen die Medien, Film, Fernsehen, Pop-Musik, die Welt zum planetarischen Dorf zusammenzuschließen. Alles, was 'drüben' geschah, wurde ohne Verzug hierher übermittelt, die Übermacht amerikanischer Bewußtseinsindustrie mit ihrem riesigen Binnenmarkt und ihren umfangreichen Außenmärkten wurde immer drückender. Inzwischen war außerdem eine deutsche Generation mit englischen Sprachkenntnissen aufgewachsen, und natürlich wollte man auch demonstrieren, was man gelernt hatte. Die in der deutschen Kultur latent immer auch vorhandene Xenophilie richtete sich - unbeschadet zunehmender ideologischer Differenzen eines Teils der Jugend gegenüber dem mit unverhohlener Stärke auftretenden Großen Bruder - auf die Hegemonialmacht des Westens. Während das alte Medium der Literatur unangefochten blieb, wurde das neue Medium Film fast vollständig von den Amerikanern besetzt, die damit zugleich die Köpfe und Vorstellungen der nachwachsenden Generation besetzten, Life style prägten. Und heute können Musiksender, Filmtitel, Werbebotschaften schon weitgehend ohne das deutsche Wort auskommen; das Publikum ist auf das Englische konditioniert.

Tagtäglich liefert das Kino Belegmaterial für unbestreitbar unnötige Fremdwörter. Oder was wäre an folgenden Titeln auszusetzen: Elmsfeuer, Frühstücksclub, Blutige Anfänger, Entkommen, Ziel, Vergrößerung, Haar, Flugzeug, Kämpfer, Nachtjäger, Tierheim, Todeswunsch, Radiergummikopf, Nachtmahr, Hochländer, Moskito-Küste? Ich behaupte nicht, daß die deutschen Filmtitel so heißen müßten, werden doch auch Buchtitel gelegentlich freier übersetzt. Aber warum läßt man die Originaltitel einfach und gedankenlos stehen: St. Elmos Fire, Breakfast Club, Absolute Beginners, Getaway, Target, Blow up, Hair, Airplane, Fighter, Nighthunter, Animal House, Death wish, Eraserhead, Nightmare, Highlander, Mosquito-Coast. Wir müssen auch den Titel Poltergeist unter die Fremdwörter rechnen, denn dieser Film heißt im Original bereits Poltergeist, und wenn im Englischen ein anderes Wort dafür verwendet worden wäre, wäre einem deutschen Verleih nie und nimmer das bildhafte deutsche Wort Poltergeist eingefallen. Poltergeist ist gewissermaßen durch das Amerikanische sanktioniert.

Die Gedankenlosigkeit hat indes Methode, oder vielmehr, sie hat nicht zu unterschätzende semantische Folgen. Sachverhalte werden in ihrer Kontur verwischt oder verfälscht. Daß mit Der Terminator ein Mörder bezeichnet wird, nämlich einer, der ein Ende macht, wird durch die Übernahme aus dem Amerikanischen verschleiert. Das Wort Aliens klingt im Deutschen exotisch, und man stellt sich, auch durch den Filminhalt geleitet, Außerirdische darunter vor. Tatsächlich aber heißt aliens Ausländer, und somit kann oder muß man den Film als Parabel des Kampfes gegen Ausländer, d.h. auch irdische Ausländer interpretieren; sofort enthüllt sich sein reaktionäres Potential. Tarkowskijs italienischer Film wurde ignoranterweise Nostalghia genannt. Nichts liegt diesem leidenschaftlichen Verbannten ferner als die modisch-dekorative Aura (neudeutsch: touch), die mit diesem Neuwort transportiert wird. Wenn einer um Heimat ringt und unter Heimweh leidet, dann er. Der Film kann, darf also nur Heimweh heißen. Auffällig ist die Verdrängung von Gefühl auch im Falle der Fernsehserie Cuore. Das Kinderbuch von de Amicis aus den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts fand auch im Deutschen große Verbreitung, aber natürlich unter dem Titel Herz. Wenn heutigen Kindern das völlig aus der Luft gegriffene Cuore vorgesetzt wird, kann man darin nur noch die frühzeitige Konditionierung für eine Welt der Unverständlichkeit sehen. Der Hund Snoopy ist sozusagen eine Kultfigur geworden; tatsächlich aber heißt er nicht anders als Schnuffi, vielleicht auch Schnüffel - ein ganz aus dem Kinderalltag genommener, harmloser Name. Man stelle sich vor, wie ein Hund Schnuffi - auch nur national - vergleichbare Popularität hätte gewinnen können. Gewissermaßen eine Marlboro-Welt von Freiheit und Abenteuer suggeriert eine Fernsehserie General Hospital; in Wahrheit ist ein stinknormales Allgemeines Krankenhaus gemeint. Das Shakespeare-Drama Heinrich V. wurde 1944 unter dem gleichnamigen Titel als Film herausgebracht; die Fassung von 1991 hieß dann nur noch Henry V.

Prekär ist der Fall Holocaust. Bei der publizitätsträchtigen Ausstrahlung dieser Serie stand so sehr die amerikanische Perspektive auf jenes Geschehen im Mittelpunkt, daß man an einen deutschen Titel gar nicht dachte. Vielmehr redete man sich ein, das Geschehen sei so singulär, daß es nur durch ein neues Wort begriffen werden könne. Die bisher gebräuchliche Endlösung, bekanntlich einschlägiges Beispiel aus dem Wörterbuch des Unmenschen, sei euphemistisch und insofern abzulehnen. Und so wird seither nur noch von Holocaust gesprochen. Aber sehen wir ein wenig genauer hin.

In dem Fremdwort werden mehrere Perspektiven auf das Geschehen vermischt, die vorher auf verschiedene Wörter verteilt waren und somit auch genauer dargestellt werden konnten. Judenvernichtung drückt das Rassen-Kriterium und die Aktion völliger Zerstörung aus. Völkermord bezeichnet den Umfang des Unternehmens und das Unrecht der Tötung, Genozid ist ein wissenschaftlicher, nämlich von zuviel Emotion befreiter Begriff dafür, und die Endlösung verweist auf die bürokratische Organisation des Unternehmens. Gerade deshalb ist das Wort Endlösung unverzichtbar: es stellt die Verbindung zu jener Wannsee-Konferenz her, auf der das bisher nur unsystematisch Betriebene durch Bürokratisierung einen neuen, in der Tat singulären Stellenwert bekam. Endlösung benennt einen auf den Tag genau bestimmbaren Verwaltungsakt.

Alles dies wird mit Holocaust zu einer undurchsichtigen Brühe verrührt, der Mystifikation wird Vorschub geleistet. Ein wichtiges Moment der eigenen Geschichte verkommt hier zu einem importierten Horror-Film. Wie sollte man dem deutschen Volk sagen: tua res agitur, - um die eigenen Taten geht es -, wenn man es nicht auch in der eigenen Sprache anredet? Identität bedeutet zugleich Verantwortung, und gerade sie verliert sich bei Holocaust ins Numinose. Der Blick ins Wörterbuch zeigt, in welchem semantischen Horizont man im englischen Sprachraum die Judenvernichtung sieht: Holocaust heißt: Brandopfer, (völlige Vernichtung durch) Großbrand.

Ein Zwischenstadium zwischen Originaltitel und deutschem Titel sind die Doppeltitel, meist solche, die unter dem Originaltitel bekannt geworden und pro forma einen deutschen Titel angeklebt bekommen haben. Mein geliebter Feind ist besser als Enemy mine bekannt, die Kriegsspiele besser als War games, Ein neuer Stern am Himmel oder, noch älter, Ein Stern geht auf wird gewöhnlich mit A star is born zitiert.

Ursache dieser bereitwilligen Übernahmen ist zum einen die Berichterstattung über das Kino in den anderen Medien. Über Filme wird schon berichtet, wenn sie erst im Entstehen sind oder wenn sie in Festivals gezeigt werden, und weil zu diesem Zeitpunkt oft noch kein deutscher Verleihtitel festliegt, zitiert man den Originaltitel. Zum anderen hält man es in der Presse für philologisch genauer, authentischer, Originaltitel zu zitieren. Über die Berechtigung dieses Verfahrens in der philologischen Wissenschaft ist hier nicht zu reden. Wohl aber darf bezweifelt werden, daß diese Manier in der Publikumspresse andere Funktion als die der snobistischen Abgrenzung der Experten vom gemeinen Volk hat. Jedenfalls wird dem Leser suggeriert, daß es kaum statthaft sei, nach deutschen Titeln zu zitieren. In der Philologie der Literatur ist jene cineastische Praxis der Verfremdung freilich unbekannt. Fremdsprachige Literatur wird, soweit möglich, stets vollständig übersetzt, und kein Verleger käme auf die Idee, die Novelle Die Toten von James Joyce unter dem Titel The dead abzudrucken, wie dies beim gleichnamigen Film geschehen ist.

Zudem pflegen Cineasten einen ausgeprägten Hochmut gegenüber deutschen Synchronfassungen, glauben immer wieder, das Original vor der Übersetzung in Schutz nehmen zu müssen. Ja, es gibt sogar Leute, die Untertitel bei einer italienischen Oper für verfehlt halten. Aber wie viele Zuhörer verstehen denn so viel Italienisch, um den Worten folgen zu können, oder kennen die Übersetzung so gut auswendig? Daß Drama Handlung ist und Handlung etwas bedeutet, wird offenbar völlig vergessen. Die Gluck'sche Opernreform im 18.Jhdt., die Wahrscheinlichkeit der Konflikte und Verständlichkeit zum Ziele hatte, ist nachträglich liquidiert.

Das Plädoyer für die Originalsprachigkeit enthält auch eine merkwürdige Einseitigkeit. Als die Waliser Oper in Covent Garden London, also einem exponierten Ort, Wagners Ring in Englisch aufführte, rechtfertigte das der Kritiker der SZ mit der kühnen Behauptung, gerade Wagner erlaube noch am ehesten die Übersetzung in fremde Sprachen - während ihm doch sonst sein Germanisieren, sein Wühlen im Deutschen zum Vorwurf gemacht wird. Und daß wir Mozarts Zauberflöte im Kino auf Schwedisch und Haydns Schöpfung auf Platte und Video in Englisch zu hören bekamen, hätte doch eigentlich auch einen Entrüstungssturm der Originalsprachpuristen hervorrufen müssen.

Das Originalsprachen-Argument ist tatsächlich nur ein Vorwand, wie bei exotischeren Sprachen zu sehen ist. Niemandem fiele es ein, russische oder chinesische Originaltitel zu zitieren. In Norwegen wurde eine jahrtausendealte nordische Sage unter dem Titel Veiviseren verfilmt. In die deutschen Kinos kam der Film unter dem Titel Pathfinder. - Dafür einen Ehrenoscar für Borniertheit.

Ein weiterer Kompetenzverlust des Deutschen findet bei der Auflösung der deutschen Transkription aus Sprachen mit nichtlateinischen Schriften statt. Die korrekte Transkription russischer Namen ist selten geworden. Schallplattentitel werden häufig nur noch englisch geliefert, so daß der Konsument mit der englischen Transkription vertraut wird und bald keine andere mehr kennt. (Diesem Usus verdanken wir übrigens auch das neudeutsche Recital für Klavierabend) Der Filmtitel A letter to Breshnev wurde zwar übersetzt, aber die Transkription des Namens in Breschnew wurde unterlassen, so daß man jetzt den unmöglichen Zwitter liest Ein Brief an Breshnev. Die Paradigmen amerikanischer (Kino)Kultur sind von der jetzt jungen Generation so sehr verinnerlicht, daß manche Filmemacher nicht nur die fremden Inhalte übernehmen oder zitieren, sondern ihre Werke sogar ausdrücklich in der fremden Sprache firmieren lassen. Catch Your dreams heißt ein deutscher Film aus dem Jahre 1982, War Lab einer von 1983, Killing Cars stammt von 1985. Fang deine Träume könnte ein Lied von André Heller heißen, so wie Catch Your dreams amerikanische Pop-Kultur zitiert. Mit Kriegslabor wird der andere, der militaristische Aspekt der USA angesprochen. Und Tödliche Wagen greift ein spezifisch amerikanisches Action-Motiv auf: die Auto-Verfolgungsjagd.

Die sprachliche Unterwerfung hat, wie man weiß, Methode. Großproduktionen, fast immer zugleich Koproduktionen, des Deutschen Fernsehens werden mittlerweile oft schon in Englisch gedreht - wegen der Verkaufschancen auf dem internationalen Markt, wie es heißt. So müssen sich also die deutschen Schauspieler selbst synchronisieren, und der Zuschauer bekommt den Filter der fremden Sprache vorgeschaltet. Was das bedeutet, kann man daran ermessen, daß die Amerikaner nicht nur Filme mit Untertiteln nicht akzeptieren, sondern selbst gegen synchronisierte Filme Vorbehalte haben: es bleibt ein Rest von Distanz und Illusionsbrechung, und gerade das will ja im Kino vermieden werden. Bei der Selbstsynchronisation deutscher Produktionen sitzt der erste Filter bereits im Drehbuch, denn man schreibt nur noch solche Dialoge, die sich auch ins Englische übersetzen lassen. Spezifisch deutsche Mentalität und Problematik ist damit nicht mehr auszudrücken, wie z.B. Sinkels I.G.Farben-Epos Väter und Söhne bewiesen hat.

Demgegenüber forderte ein Verantwortlicher des englischen Channel 4 vor einiger Zeit: "Im Zeitalter des Satelliten-Fernsehens muß es oberstes Gesetz werden, die nationalen Sprachen und nationalen Kulturen zu bewahren, und zwar durch eigenständige Programme.[...]im eigenen Land kann man gar nicht genug unternehmen, um die eigene Sprache, die eigene Musik, die eigene Geschichte zu pflegen und zu bewahren. Jedes Land muß sich entsprechend verhalten, und auf dieser Basis kann man seine Programme austauschen." Und dann der typisch neudeutsche Einwand des Interviewers: "Trotz der Sprachbarrieren?" Darauf der Engländer: "Diese Barrieren abzubauen ist glatter Unsinn."

In der Tat, Sprachen sind dazu da, in einander übersetzt zu werden, und nicht, in einander aufzugehen. Jede Sprache bietet einen je eigenen Blick auf die Welt. Es wäre eine jämmerliche Verarmung, sie auf eine zu reduzieren. Internationalität ist ein Austausch zwischen Nationen und nicht Selbstliquidation. Wenn ein Europäisches Kammerorchester, offenbar international zusammengesetzt, hierzulande konzertiert, sollte es also, entsprechend dem Gedanken der europäischen Einheit in der Vielheit der Sprachen, auch als Europäisches Kammerorchester erscheinen. Es wird jedoch als Chamber Orchestra of Europe annonciert. Wo ist hier Europa?

Das Fremdwort ist nicht selbst gedacht, sondern eine vorgefertigte Konserve. Sein unkontrollierter Gebrauch lähmt die Beweglichkeit des Denkens und stumpft das Gefühl für die Sprache ab. Betrachten wir folgende Begriffsreihe: Einbildungskraft-Phantasie-Fantasy. Der erste Begriff, Einbildungskraft, wird zur Zeit der Klassik geprägt und verwendet, auch mit philosophischer Präzision, etwa von Kant. Und es ist ein schönes, bildhaftes Wort. Auf die Dauer konnte es sich gegen die griechische und in den übrigen europäischen Sprachen vorhandene Phantasie nicht halten. Aber selbst diese Allerwelts-Phantasie, die in der Romantik einmal ganz bei sich selbst war, mußte noch ihre deutsche Orthographie ablegen und zur amerikanischen Fantasy werden. Dies bezeichnet nun ein anachronistisches und eklektizistisches Gemenge von Sagen, Mythologemen und Spinnereien, ein minderes Genre von Filmen und Literatur.

In einer schweizer Übersetzung amerikanischer Prosa aus den 50er Jahren fand ich das Wort Schreckgesicht. Nach kurzem Stutzen war mir die neudeutsche Version klar: Horrorvision. Der Unterschied ist unschwer anzugeben; Schrecken ist ein wirkliches Gefühl, Horror ein bloßes Kino- Stereotyp. In einer ebenfalls schweizer Übersetzung aus der gleichen Zeit fand ich Zusammensetzrätsel für Puzzle; der deutsche Ausdruck fügte sich dem Fluß des Erzählens bruchlos ein - je stärker die Sprachkraft, desto mehr Übersetzungsneuheit wird möglich.

Neben dieser schleichenden und desto gefährlicheren Depotenzierung sprachlichen Ausdrucksvermögens wirken die ins Auge fallenden Anglizismen in Fach- und Gruppensprachen vergleichsweise harmlos. Es wäre leicht, sich über den Jargon der Computerleute lustig zu machen; allerdings sollte man die Normierungen der Academie francaise in Bezug auf das Französische hierbei nicht außer Acht lassen. Dort war es offenbar ohne weiteres möglich, den Import walkman zu vermeiden. Man übersetzte ihn mit balladeur. Statt hardware und software spricht man von matériel und logiciel. Man muß eine Übersetzung nur wollen, dann findet man in der eigenen Sprache auch entsprechendes. Auf einem ähnlichen Normierungsakt beruht die Übersetzung von AIDS, das im Französischen als S.I.D.A erscheint. Desgleichen wurde ISDN ins Französische übersetzt und erhielt eine eigene Abkürzung. Im Deutschen hat es gerade noch - in den 50er Jahren - zur RNS gereicht, aber auch hier liest man heute mindestens ebenso häufig schon die englische Version RNA. Und was einst Langspielplatten als Beiheft beigelegen hat, wird bei der CD nunmehr als booklet deklariert.

Ursache der vielen Übernahmen ist der Umstand, daß die entsprechende Technik in Amerika zu Hause ist. Mitsamt den Dingen werden die Begriffe importiert. Die Richtung der Handelsströme läßt sich gelegentlich unmittelbar in der Wortgeschichte verifizieren. In den 50er und 60er Jahren gab es in der Elektrotechnik Oszillographen; der Begriff ein lateinisch- griechisches Kunstwort wie viele. Das Gerät stammte aus einheimischer Produktion. Dann, mit dem Niedergang deutscher Elektronik und dem zunehmenden Import dieser Geräte aus Japan und USA, begann man sie Oscilloscope zu nennen, oder orthographisch wieder etwas eingedeutscht Oszilloskop. Und so heißen sie heute noch.

Ein allbekanntes Schicksal hat die Quarz-Uhr durchgemacht. Durch einen unerforschlichen Zufall schreibt sich das englische quartz mit tz. Der (wiederum importierte) Siegeszug dieser Uhren hat die deutsche Orthographie fast völlig in Vergessenheit geraten lassen.

Ziemlich albern wird in der Werbung mit Anglizismen umgegangen. Während sich Qualitätsprodukte früher durch den Markennamen und den Preis implizit definierten, gebraucht man heute, nach amerikanischem Marketing den Ausdruck Premium dafür. Es gibt ein Premium Pils und einen Premium Kaffee. Man getraut sich das natürlich nur wegen der Assoziation zu Prämie zu schreiben, aber wieviele von denen, die es lesen, werden es richtig aussprechen: [pri:mi m]? Kurz nach dem Kriege wurde von Nestle der lösliche Kaffee erfunden und als Blitzkaffee auf den Markt gebracht. Seinen Siegeszug trat das Produkt allerdings im fremdsprachigen Ausland an und kam von dort mit dem neuen Etikett Instant-Kaffee zurück. Ein magenfreundlicher oder koffeinfreier Kaffee wäre von der Traditionsfirma Jacobs früher als Tag&Nacht-Kaffee eingeführt worden; jetzt heißt er Night&Day.

Für Coca-Cola, seit Jahrzehnten eingeführte Marke, war früher Mach mal Pause sprichwörtlich. Das hatte Inhalt, sprach ein menschliches Grundbedürfnis an. Der derzeitige Slogan heißt Coca-Cola is it - nur noch eine fremdsprachige, inhaltslose Hülse. Ebenso erging es dem klassischen Camel- Spruch Ich geh' meilenweit für...Jetzt heißt es verblasen It's your way. Eine andere Zigarettenmarke verlangt Get that feeling!, wieder eine andere verkürzt dies zur Emphase What a feeling!, und bei Coca-Cola wiederum heißt es dann, gewissermaßen in minimal art: The feeling! Den Prospekt eines Möbelhauses ziert die Überschrift feeling summer. Das Deutsche wird für den Ausdruck von Gefühl hier konsequent ausgeschlossen, die Sprache verliert ein wesentliches Stück ihrer Kompetenz im Alltag.

Eine Autowerbung von Opel erweckt Urlaubsassoziationen mit der Zeile Let the sunshine in.

Daß 'Haarwaschmittel' Shampoo heißt, ist nicht weiter aufregend. Wenn dann aber eine bestimmte Sorte davon Head&Shoulders genannt wird, fragt man sich doch, womit die menschliche Anatomie verdient hat, dermaßen mystifiziert zu werden. Würde es ein Unterwäschehersteller wagen, auf einen Männerslip die Aufschrift kraftvoll zu drucken? Wir können es nicht sagen, aber powerful haben wir tatsächlich gefunden.

Daß ein Bekleidungshaus Herrenmode als Men's fashion annonciert, wundert kaum noch. Die Verfremdung erstreckt sich aber auch auf die feineren Unterteilungen der Mode. Das Genre sportlich-salopp heißt fun&fashion, seriöse Kleidung firmiert unter Job&Joy. Life-style verkauft ein deutscher Sportartikel-Hersteller mit seiner Anzeige: Active bodies by adidas. Eine der 'Hausmarken' in der Herrenmode, die üblicherweise Personennamen tragen, nennt sich John Slim. Läßt man die Luft heraus, bleibt ein Hans Schlank übrig, und schon befindet sich die beabsichtigte Bedeutungszuweisung am Rande der Lächerlichkeit. Ein Laden, der jeans wear und sports wear verkauft, veranstaltet natürlich auch keinen Winterschlußverkauf, sondern einen winter sale. Und eine Reinigungsfirma entblödet sich nicht, mit der Firmenbezeichnung dust control aufzutreten.

Eine Münchner Schickeria-Zeitschrift nennt sich allen Ernstes Names-Places-Happenings. In der Tat, was hier verhandelt wird, ist so hohl, daß es beim Licht der deutschen Sprache in sich zusammenfiele.

Pressehefte zu Kinofilmen enthalten häufig eine Synopsis - statt einer Inhaltsangabe. Das macht auch äußerlich klar, wie nebensächlich Inhalte, die Sachen selbst sind. Gelegentlich erscheinen sogar sämtliche Stabsfunktionen einer Filmproduktion in Englisch. Das bildet unmittelbar die Machtverhältnisse auf dem Kinomarkt ab.

Einer seltsamen kollektiven Verabredung in den Medien entsprang der groteske Zwitter Szenario. Vorher gab es bereits das Szenarium für 'Drehbuch', 'Handlungsrahmen'. Im Italienischen ist von scenario die Rede, aber nicht die mindeste Bedeutungsdifferenz rechtfertigt eine Übernahme. Das Wort wird teilweise eingedeutscht, die fremde Endung belassen.

Sogar die ehrwürdige deutsche Eisenbahn, die sich seinerzeit ja durch Eindeutschungen hervorgetan hat - wir verdanken ihr u.a. die Fahrkarte anstelle des Billetts und den Bahnsteig anstelle des Perron - greift neuerdings zu Anglizismen. Das Ticket anstelle der Fahrkarte hat sich bereits unter der Hand entwickelt. Einem administrativen Akt entspringen jedoch das Cash-Management anstelle der Generalkasse und der After-Sales-Service anstelle der Fahrgelderstattungsstelle. Vermutlich glaubt das Management, mit einer solchen sprachlichen Modernisierung frischen Wind in den maroden Betrieb zu bringen. Aber wie man sich unschwer überzeugen kann, wird hier lediglich Etikettenschwindel betrieben. Man glaubt, die Sachen änderten sich, wenn man nur ihre Namen ändert. Das ist aber leider, oder wohl doch: zum Glück - nicht der Fall. Die Schaumschlägerei fällt früher oder später in sich zusammen, und die Sprache der Zahlen kennt keine Fremdwörter.

Die Diskussion um Fremdwörter kann man auf der Ebene der Semantik führen, also Begriffsinhalte vergleichen und Ausdrucksmöglichkeiten bewerten. Hier wurden und werden all die Gefechte um zureichende Übereinstimmung einer (möglichen) Übersetzung und ihrer Gefahr von Lächerlichkeit geführt.

Indes läßt sich jedem Einwand gegen Übersetzung auch mit zwei ganz formalen Argumenten begegnen. Lächerlich ist eine Übersetzung nicht schon deswegen, weil sie ungewohnt ist. Eine englische Neubildung wie Eraserhead hat in der Originalsprache genau den gleichen semantischen Status wie im Deutschen Radiergummikopf. Einwände gegen Radiergummikopf beträfen also im selben Maße Eraserhead. Was wir an einer Übersetzung vielleicht als lächerlich empfinden, ist ausschließlich unser Mangel im schöpferischen Umgang mit der eigenen Sprache. Das Deutsche ist passiv, inert geworden, spielt bei der Gestaltung von Welt keine Rolle mehr.

Zum andern: jedes Fremdwort in unserer Sprache fehlt der Sprache, aus der es kommt. Man hält die eigene Sprache für zu arm, so daß man aus der vermeintlich reicheren fremden übernimmt. Tatsächlich aber ist die fremde insofern die ärmere, da ihr das Äquivalent zu unserem Fremdwort fehlt. Es besteht also kein Grund, aus dieser ärmeren zu übernehmen. Wie man in der Sprachwissenschaft weiß, haben die Wortschätze aller Zivilisationssprachen in etwa die selbe Mächtigkeit. In jeder ist somit genügend Ausdrucksvermögen versammelt, um die moderne Welt zu beschreiben. Signifikante Asymmetrien der Wortschatzverteilung, d.h. erhebliche oder exponierte Fremdwortanteile in einer Sprache sind sprachlich also nicht zu rechtfertigen. Sie haben nicht mit der Sprache als Werkzeug der Kommunikation zu tun, sondern mit ihrem Gebrauch als Fetisch.

 

Gerhard Bachleitner