Sequenzer- und Notendruckprogramme sind aufwendig und teuer; sie liegen in der Regel nahe 1000 DM, und die Notendarstellung läßt im Detail meist noch zu wünschen übrig. Hier hat sich nun Herbert Walz, der als Professor an der FH München Musikelektronik unterrichtet, Gedanken gemacht, ob es nicht auch einfacher und billiger geht.

Sein Programm gibt es für zwei Anwendungen: für den im ST eingebauten Tongenerator (3stimmig) und für separate Tongeneratoren, auch Midi-Expander genannt (bis 144 Stimmen). Sinnigerweise heißt daher die erste Version TRIO, die zweite ORCHEST. Eine Spieltastatur ist nicht nötig, die Klänge werden von dem Generator erzeugt und vom Programm aus angesprochen.

Walz macht aus der Not eine Tugend: wenn man sich mit der Notengraphik so schwer tut, dann doch lieber gleich nur ASCII. Sein Programm kennt also keine graphische Noteneingabe. Eingegeben wird alphanumerisch, d.h. jede Note mit Namen, Ort und Zeit. Zu Beginn jeder Datei steht ein Kopf, der die Kanalbelegung, die Wahl der Klänge anzeigt. Ein solches Musikstück beginnt also z.B. wie folgt:

Perkus Perkus Perkus

fo fo fff

< < '

c1 - - 1/16 Takt_1

' e1 - 1/16

' ' g1 1/16

' ' c2 1/16

' ' e2 1/16

' ' g1 1/16

' ' c2 1/16

' ' e2 1/16

c1 - - 1/16

' e1 - 1/16

' ' g1 1/16

' ' c2 1/16

' ' e2 1/16

' ' g1 1/16

' ' c2 1/16

' ' e2 1/16

Der Profi erkennt hier sofort, daß es sich um den ersten Takt von Bachs C-Dur- Präludium aus dem 1.Band des Wohltemperierten Klaviers handelt. Der Computerfreak wiederum erkennt sofort, daß wegen der großen Redundanz vieler Musik ausgiebiger Gebrauch von Blockoperationen gemacht werden kann. Obiges Beispiel etwa besteht aus zwei völlig identischen Hälften.

Außerdem sind Makros dringend zu empfehlen, wenn man nicht in jedem Takt 16mal '1/16' schreiben will. Die Auswahl der geeigneten Editoren schrumpft bei diesen Anforderungen. Walz schlägt zwar auch 1stWordplus und Writer-ST vor, doch können wir uns ein effektives Arbeiten eigentlich nur mit Tempus vorstellen. Wichtig ist allerdings das spaltenweise Definieren von Blöcken, das bislang nur ganz wenige Editoren beherrschen.

Makros kann man auch gut gebrauchen, wenn man viele Halbtöne zu notieren hat, also mit Versetzungszeichen arbeiten muß. Die Erniedrigung einer Note um einen halben Ton, die bei den deutschen Notennamen durch Anhängen der Silbe -es kenntlich gemacht wird, erfolgt in Walz' Musikprogramm durch Anfügen des Buchstabens b. Ein Dominantseptakkord von As- Dur notiert sich z.B. wie folgt: Db db db b1 g1 eb g b eb1 g. Das Erhöhungskreuz wird von der Tastatur genommen: #.

Wer eine Vorlage verwenden kann, Noten also bereits auf dem Papier stehen hat, wird mit dieser Art der Eingabe noch zurechtkommen können. Wer jedoch ein Stück neu komponieren will, hat sich in einem völlig unanschaulichen Raum zurechtzufinden. Interessant wird diese Notation erst wieder für Avantgarde- Komponisten, die etwa mit seriellen Modellen arbeiten und auf ihre melodischen oder rhythmischen Strukturen numerische Verfahren anwenden wollen. Man könnte z.B. verlangen: ersetze alle Des durch B+C, ersetze alle Achtel in der Umgebung von Vierteln durch punktierte Sechzehntel, teile von Takt 17-31 die Halben in Vierteltriolen.

Trotzdem kommt man am Ende nicht ohne gedruckte Noten aus, denn nur die Notenschrift wird überall auf der Welt verstanden. Zwar ist auch für ORCHEST später eine Notendarstellung geplant, doch läßt sich ihre Realisierung noch nicht absehen. Im Prinzip ist dies nicht allzu schwierig, denn auch die graphischen Programme Notator und Masterscore arbeiten intern natürlich mit alphanumerischen Kennzeichnungen, und Masterscore erlaubte in der ersten Version die Eingabe überhaupt nur alphanumerisch. Hier könnte sich ORCHEST einklinken.

Die Midi-Version von ORCHEST ist vorerst für den Expander FB 01 von Yamaha und den Böhm MD 800 angepaßt. Weitere Anpassungen sind jedoch leicht möglich, da das Programm lediglich Platzziffern liest. So schreibt man beispielsweise für Klavierklang beim Yamaha b3v6, Bank 3, Voice 6. Verarbeitet werden bis zu 496 Klänge (Voices).

ORCHEST enthält Panorama- und Pegelfunktionen, also Links-Mitte-Rechts im Stereospektrum und eine Dynamik von 0-fff. Ferner gibt es Crescendo und Decrescendo, Ritardando und Accelerando. Auch die Metronom-Angabe wird berücksichtigt.

Zum Editieren der Klänge kann ein eigener Sound-Editor sinnvoll sein. Walz verweist auf einen namens FB01.Prg von Peter Vogel. Die Gestaltung des Titelblattes kann mit den meisten Graphikprogrammen bewerkstelligt werden.

ORCHEST ist in zwei Versionen verfügbar, als ACC und als PRG. Unter dem Namen STUDIO.PRG existiert eine Art Shell, die zwischen dem Texteditor, dem Graphikprogramm, dem Sound-Editor und einem zukünftigen Noten-Programm vermittelt. So wird der Aufwand für die Programmwechsel auf ein Minimum reduziert. Wenn das Musikprogramm als ACC geladen ist, läßt sich jede Notentextänderung im Editor sofort durch Abspielen der Datei überprüfen. Ähnliches kann man freilich auch in Tempus 2.0 durch den Programm- Sofortaufruf realisieren.

Eine nicht unbeträchtliche Einschränkung von ORCHEST rührt aus dem zur Programmierung verwendeten Megamax C. Die Größe der Musikdatei darf in der jetzigen Version 32 kB nicht überschreiten, zwei Dateien sind jeweils zugelassen. Zur Orientierung: das erwähnte C-Dur-Präludium von Bach, im Druck zwei Seiten, umfaßt 17 kB.

Fazit

Für weniger als 200 DM erhält man mit ORCHEST/TRIO ein Programm zur Erzeugung von Musik, vorzugsweise mit einem Midi- Expander, das eher für Freaks mit musikalischen Ambitionen, als für Musiker mit elektronischen Ambitionen gedacht ist. Zwar ist es wesentlich einfacher zu verstehen und zu bedienen als ein großes Midi-Sequenzer-Programm, doch sind entsprechend auch die Möglichkeiten eingeschränkt. Wir hoffen auf die Beistellung weiterer Programmmodule.